5. September 2023 / Aus aller Welt

Junge Erwachsene ziehen wieder früher aus

Knapp jeder zehnte 30-Jährige wohnt noch zu Hause. Doch seit einigen Jahren ziehen junge Erwachsene eher früher aus - was laut einem Forscher auch wichtig ist. Das rät er unsicheren Eltern.

Ein junger Mann, eine ältere Frau und ein älterer Mann tragen Umzugskartons in eine Wohnung. In Deutschland betrug das Durchschnittsalter beim Auszug geschlechterübergreifend 23,8 Jahre.

Mehr als jeder vierte junge Erwachsene im Alter von 25 Jahren hat vergangenes Jahr in Deutschland noch im Elternhaus gewohnt. Den exakten Anteil gab das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden mit 27,3 Prozent an.

Von den 30-Jährigen lebten demnach noch 9,2 Prozent bei ihren Eltern. Söhne lassen sich nach wie vor länger Zeit als Töchter: Junge Männer waren beim Auszug im Schnitt 24,5 Jahre alt, junge Frauen 23,0. Das Durchschnittsalter betrug in Deutschland den Angaben zufolge geschlechterübergreifend 23,8 Jahre. Im EU-weiten Vergleich ist dies relativ jung. Hier beträgt der Altersschnitt beim Auszug 26,4 Jahre, wie das Bundesamt unter Berufung auf Schätzungen der EU-Statistikbehörde Eurostat mitteilte.

Seit fünf bis sechs Jahren ziehen jungen Erwachsene in Deutschland früher aus - dies sei sehr positiv, sagt der Jugendforscher Klaus Hurrelmann. Von dem Trend hatte auch das Statistische Bundesamt vergangenes Jahr berichtet.

Das «Hotel Mama» hat noch nicht ausgedient

Die vorherige Entwicklung, dass vor allem junge Männer lange in ihren Kinderzimmern lebten, hatte Hurrelmann beunruhigt: «Die Eigenständigkeit befindet sich dann nicht auf dem nötigen Niveau.» Es fehle die Entwicklung einer starken Persönlichkeit, die auch für gleichberechtigte Partnerbeziehungen wichtig sei.

«Es ist noch immer enorm, welche Anziehungskraft das «Hotel Mama» hat», sagt Forscher Klaus Hurrelmann weiter. Das Klischee treffe weiter häufig zu: «Der Aufwand für den eigenen Haushalt - Wäschewaschen, Kochen und Einkaufen - entfällt dann, auch die Kosten sind geringer.» Selbst administrativer Aufwand werde dem Nachwuchs teilweise abgenommen, wie etwa Behördengänge.

Doch es herrscht Mangel an bezahlbarem Wohnraum und die Lebenshaltungskosten sind stark gestiegen. Dass sich der Trend, lange zu Hause zu wohnen, umgekehrt habe, sei angesichts dessen überraschend, so Hurrelmann. Aber Untersuchungen zu der Entwicklung gebe es noch nicht.

Mädchen ziehen etwas früher aus

Der Experte vermutet einen Mentalitätswandel, vielleicht angestoßen von Diskussionen über notorische Nesthocker. Ein Grund könne auch sein, dass junge Menschen heute sehr spezifische Wünsche bezüglich Ausbildung und Beruf hätten und sich diese eher nicht am Wohnort der Eltern verwirklichen ließen.

Mädchen seien in ihrer Entwicklung während der Pubertät den Jungs voraus, sagt der Forscher. Dies halte bis über den 20. Geburtstag hinaus an - weshalb sie gewöhnlich früher ausziehen. Zugleich sei es möglich, dass Jungs mehr behütet werden, weil mehr Unterstützungsbedarf gesehen wird.

Hurrelmann rät Eltern, den Mut aufzubringen, um - wenn nötig - klare Ansagen zu machen und Vereinbarungen zu treffen, damit sich ihre Kinder in einen eigenen Alltag aufmachen. «Das kann man auch schriftlich festhalten - wann der Auszug ist und wie lange dann noch zu Hause die Wäsche gewaschen werden darf.»

Der Blick auf andere EU-Staaten zeigt eine große Bandbreite. Am längsten bleiben junge Erwachsene in den süd- und osteuropäischen Ländern zu Hause: In Kroatien war das durchschnittliche Auszugsalter mit 33,4 Jahren EU-weit am höchsten. Es folgen die Slowakei mit 30,8 und Griechenland mit 30,7 Jahren, wie das Bundesamt mitteilte.

Früher als in Deutschland werden junge Menschen dagegen in nordeuropäischen Ländern flügge: In Finnland im Schnitt mit 21,3 Jahren, in Schweden mit 21,4 Jahren und in Dänemark mit 21,7 Jahren. In allen EU-Staaten wagen junge Frauen eher den Schritt in die Selbstständigkeit als Männer.

Dass junge Menschen in Süd- und Osteuropa länger zu Hause wohnen, erklärt Forscher Hurrelmann mit der stärkeren Bindung an traditionelle Familienformen wie die Großfamilie. In Skandinavien dagegen werde auch sozialpolitisch eher das Individuum herausgestellt.


Bildnachweis: © Christin Klose/dpa-tmn/dpa
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