15. April 2022 / Kunst & Kultur

Heiße Schlacht ums kalte Wasser

LWL-Alltagskulturforscher gehen der Bedeutung des Wassers für Ostern nach

Schwengellangziehen

Foto (LWL-Archiv): Schwengellangziehen in Lüdinghausen (Kreis Coesfeld).


Das Osterfest verbinden die meisten Menschen mit Eiern, Hasen oder Osterfeuer. Weniger häufig denkt man in diesem Zusammenhang an Wasser - "obwohl dieses Element für Ostern mindestens genauso wichtig ist. Ostern ist das höchste und älteste Fest des Christentums. Für die Feier der Auferstehung Jesu sind vor allem drei Symbole von Bedeutung: das Ei, das durch seine Form an einen Kreis erinnert und somit Ende und Neuanfang symbolisiert, das Feuer als Zeichen für die Auferstehung Jesu Christi und schließlich das Wasser, das im christlichen Glauben für Reinigung und Leben steht", erklärt Christiane Cantauw von der Kommission Alltagskulturforschung beim Landschaftsverband Westfalen (LWL).

In Westfalen stand der Karsamstag früher ganz im Zeichen der kirchlichen Feuer- und Wasserweihe. Während der Liturgie werden bis heute in den Kirchengemeinden zunächst das Osterfeuer und die Osterkerze entzündet. Darauf folgte ehemals die Weihe des Wassers, das für alle Taufen im Jahreslauf genutzt wurde. 

Um 1900 brachten die Katholik:innen vielerorts in Westfalen leere Gefäße mit zur Kirche, um sie nach der Messe mit dem Weihwasser zu füllen und mit nach Hause zu nehmen. "Man versprach sich von dem Wasser Reinigung und Heilung und wollte diese Kräfte auch im Alltag nutzen. Das geweihte Wasser wurde vielseitig eingesetzt: man segnete Mensch und Tier sowie Haus und Feld. Oft gab man dem Vieh von dem Wasser zu trinken, um es vor Krankheiten zu schützen", so Cantauw. 

Schlägerei um das Weihwasser
Das Weihwasser wurde unterschiedlich bereitgestellt: Oft wurden normale Holzfässer genutzt, aber auch große Zinkwannen kamen zum Einsatz. Während manche Gemeinden ihr geweihtes Wasser in eher schlichten Behältnissen zur Verfügung stellten, wurden beispielsweise in Canstein (Hochsauerlandkreis) die Fässer mit Tüchern umhüllt, die die besondere Wertschätzung des Weihwassers zum Ausdruck brachten. Aber nicht immer ging es beim Schöpfen des geweihten Osterwassers gesittet zu, wie zum Beispiel Berichte aus Heddinghausen (Hochsauerlandkreis) zeigen: "Es war ein Gedränge, ein Stoßen, Schieben, das zuweilen in Schlägerei ausartete", fasst Cantauw die Berichte zusammen.

Für den Transport des Wassers nach Hause verwendeten die Menschen alles, was gerade zur Hand war: Milchkannen, Krüge und Eimer bis hin zu Flaschen und Kännchen. Mancherorts wie in Drewer (Kreis Soest) hielt man täglich genutzte Gefäße aber für unpassend. Deshalb schafften sich einige Familien zum Abholen des Osterwassers Krüge aus Glas, Porzellan oder Steingut an, die mit entsprechenden Symbolen versehen waren. Auf der anderen Seite ist aber auch ein Fall aus Wildebauer (Kreis Soest) belegt, wo das Weihwasser in einer Bierflasche geholt wurde.

Schwengellangziehen
Nass wurde es zu den Osterfeiertagen beim Schwengellangziehen in Lüdinghausen (Kreis Coesfeld). Bei diesem Osterbrauch fassten sich zehn bis 15 Jungen und Männer an den Händen und drehten sich im Kreis. Das Ziel war es, den Letzten in der Kette in den Fluss zu schleudern. Der Brauch sollte an die Zeiten erinnern, zu denen das Löschwasser im Fall eines Brandes noch mit Hilfe einer Menschenkette transportiert werden musste. Er bringt aber auch die Spiel- und Bewegungsfreude zum Ausdruck, die sich in der Vergangenheit an den Osterfeiertage Bahn brach. 

Osterwasser
Ein Brauch, der heute nicht mehr anzutreffen ist, ist das Schöpfen von Osterwasser aus Fließgewässern in der Osternacht. Dieses Wasser musste zwischen Mitternacht und 1 Uhr morgens schweigend stromaufwärts entnommen werden. Ihm wurden heilende, reinigende und Schönheit bewirkende Kräfte nachgesagt. Es sollte unter anderem gegen Pickel, Augenleiden und auch Sommersprossen helfen. "Ob die Menschen wirklich daran geglaubt haben, lässt sich heute kaum noch feststellen. Sicher ist nur, dass das Osterwasser wohl keinem geschadet hat", so Cantauw. "Der Glaube an die heilende Kraft des Osterwassers zeigt aber, wie wichtig gerade diese Nacht den Menschen gewesen ist. Es gab sogar die Vorstellung, das Wasser von Bächen und Flüssen verwandele sich in der Osternacht für kurze Zeit in Wein. Diese Vorstellung knüpft eng an das liturgische Geschehen an und diente vor allem dazu, die Einzigartigkeit und Besonderheit der Osternacht hervorzuheben", verdeutlicht Cantauw.

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