18. September 2022 / Allgemein

30 Jahre Ärztliche Kinderschutzambulanz Münster

DRK-Einrichtung wurde 1992 gegründet

Kinderschutz

Foto: 1. Reihe von l. Dr. Kerstin Adolf-Wright, Dr. Johannes Uekötter, Günter Ackermann, Susanne Egerding, 2. Reihe v.l. Julius Heitmann, Dr. Kristina Scheuffgen, Alicia Breitsprecher, Sandra Burrichter, 3. Reihe v.l. Dr. Christian Steinberg, Ralph Berlinghoff, Heike Lenters

Die Ärztliche Kinderschutzambulanz ist eine ambulante Beratungs- und Therapieeinrichtung des DRK Münster. „Wir sind stolz darauf, dass wir mit dieser Einrichtung seit 30 Jahren viele Kinder und Jugendliche unterstützen konnten und weiterhin können“, erklärt Vorständin Dr. Kerstin Adolf-Wright, „das gelang uns auch dank unserer engen Zusammenarbeit mit vielen Partnern in der Stadt.“

Vor 30 Jahren ergriffen die Kinderärzte Dr. Johannes Uekötter und Prof. Dr. Tilman Fürniss gemeinsam mit dem damaligen DRK- Kreisgeschäftsführer Günter Ackermann die Initiative zur Gründung der Kinderschutzambulanz. Sie überzeugten den damaligen städtischen Beigeordneten und späteren Oberbürgermeister Dr. Berthold Tillmann davon, dass eine solche Einrichtung in Münster gebraucht wird. Gemeinsam arbeiteten sie nun daran, die notwendige Finanzierung auf die Beine stellen, reisten u.a. nach Düsseldorf zur Landesregierung, um viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Heute fördern das Land NRW und die Stadt Münster die Einrichtung des DRK.

„Ein kleines Team um Dr. Uekötter war schon damals in den 1980er Jahren ehrenamtlich aktiv“, erinnert sich Ackermann, „als das gesellschaftliche Bewusstsein für das Thema Kindesmisshandlung größer wurde, fragten sie beim Deutschen Roten Kreuz an, ob wir Räume zur Verfügung stellen könnten.“ Ackermann, der schon vor seiner Zeit beim DRK als Leiter einer Jugendhilfeeinrichtung Erfahrungen in Sachen Kinderschutz gemacht hatte, unterstützte das Vorhaben und setzte sich in den Gremien des DRK Münster erfolgreich dafür ein.

„Wir wollten die Kinderschutzambulanz unbedingt beim DRK andocken, weil es neutral ist. Ein Ort, wo alle hingehen können“, so Uekötter. Er unterstrich zudem, dass Kindesmisshandlung – auch wenn es in der aktuellen Diskussion manchmal so wirke – kein alleiniges Problem der Kirchen sei, sondern ein gesellschaftliches Problem. Alle gesellschaftlichen Schichten, alle Regionen und alle Geschlechter seien davon betroffen.

„Wichtig ist ein therapeutischer, sozialarbeiterischer Ansatz, denn strafrechtliche Interventionen allein verbessern nichts“, erläutert Fürniss, „schon lange ist es erwiesen, dass fast niemand zum Täter wird ohne vorher selbst Opfer gewesen zu sein“. Die Kinderschutzambulanz bietet daher Therapie nicht nur für Kinder und Jugendliche, die Opfer von sexueller und/oder körperlicher Misshandlung geworden sind, sondern auch für sexuell übergriffige Kindern und Jugendliche.

Gelernt haben die Gründungsväter vieles aus der wissenschaftlichen Forschung in Großbritannien und den Niederlanden, wo man die gesellschaftlichen Dimensionen von Kindesmisshandlung schon deutlich eher erkannt und erforscht hatte als in Deutschland. Dies betraf etwa die medizinische Diagnose von Misshandlungsspuren, aber auch das „Dilemma der Schweigepflicht“, wie es Uekötter nennt: „In der Abwägung der Rechtsgüter muss das Kind das höchste Rechtsgut sein, damit wir Missbrauchsfälle verhindern oder stoppen können.“

Kinderschutz ist multiprofessionell. Damit die Zusammenarbeit der beteiligten Institutionen gelingt, wurde in Münster 1998 die Clearingstelle Kinderschutz eingerichtet. Sie wird durch das DRK koordiniert. „Hier treffen sich bei Bedarf wöchentlich Vertreter*innen von Polizei, Jugendamt, Gesundheitsamt, DRK und eine Familienrichterin“, berichtet die Leiterin der Kinderschutzambulanz Susanne Egerding. „Wir haben das gemeinsame Ziel, Verdachtsmomente für eine mögliche Kindesmisshandlung multiprofessionell einzuschätzen und die Wege zwischen den genannten Institutionen zu verkürzen.“

Das therapeutische Team besteht heute aus elf Mitarbeitenden verschiedener Professionen, die sich sechs Vollzeitstellen teilen. Darunter sind Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen, Psychotherapeut*innen, Dipl.-Psycholog*innen, Dipl.-Pädagog*innen und eine Ärztin. „Pro Jahr bekommen wir etwa 400 Anfragen“, so Egerding.

Um möglichst allen schnell gerecht zu werden, wird zunächst geprüft, ob vielleicht eine andere Beratungsstelle weiterhelfen kann oder sogar eine stationäre Behandlung nötig ist. Auch verschiedene Gruppentherapien für Opfer von Kindesmisshandlung, für sexuell übergriffige Kinder und Jugendliche und für Eltern oder andere Bezugspersonen seien wichtig. In den letzten Jahren, vor allem seit Beginn der Corona-Pandemie, verzeichnet die Einrichtung zudem einen enormen Anstieg der Anfragen nach Fachberatung aus Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe.

Ein Beirat unterstützt und begleitet die Arbeit der Ärztlichen Kinderschutzambulanz. In dem zehnköpfigen Gremium vertreten sind die Chefärzte der Münsteraner Kinderkliniken, der Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Münster, der ärztliche Direktor der Forensischen Psychiatrie der Alexianer, der Leitende Oberstaatsanwalt, der Präsident des Landgerichts, die Leiterin der Rechtsmedizin der Uniklinik Münster, die Leiterin des Jugendamtes, die Leiterin der Abteilung für Kinder- und Jugendgesundheit des Gesundheitsamtes sowie die Vorständin des DRK-Kreisverbandes Münster. Als Gäste haben der ehemalige Polizeipräsident und die jetzige Polizeipräsidentin an einigen Sitzungen des Beirats teilgenommen.

„Unsere Arbeit könnten wir noch ausweiten, um einerseits die Wartezeiten auf einen Therapieplatz zu verkürzen und andererseits mehr Fachberatung für Mitarbeitende in Kitas, Schulen und anderen Jugendeinrichtungen anbieten zu können“, blickt Adolf-Wright in die Zukunft. Dafür brauche es zusätzliches Personal und eine gesicherte Finanzierung.

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