31. Januar 2021 / Bildung & Wissenschaft

Als Westfalen noch Meer war

Seltenes Fischsaurier-Fossil im LWL-Museum für Naturkunde präpariert

Foto (LWL; Oblonczyk): Manfred Schlösser, geologisch-paläontologischer Präparator im LWL-Museum für Naturkunde, präpariert die Fossilien des Ichthyosaurier-Exemplars.


Das LWL-Museum für Naturkunde in Münster hat seit drei Jahren einen besonderen Gast in der geologischen-paläontologischen Präparationswerkstatt: ein westfälisches Ichthyosaurier-Exemplar, auch Fischsaurier genannt, aus dem Unterjura. Das 180 bis 190 Millionen Jahre alte Fossil ist eine echte Seltenheit, denn über ein ähnlich gut erhaltenes Exemplar aus dieser Zeit ist aus Westfalen noch nichts publiziert worden. 

Die versteinerten Überreste des Meeresbewohners wurden 2018 in der Nähe von Bielefeld-Jöllenbeck gefunden, geborgen und sind nun weitgehend fertig präpariert. Die fachgerechte Bearbeitung des Fossils ist besonders zeitintensiv, die wissenschaftliche Untersuchung des Objekts hat bereits begonnen. Sie wird zeigen, ob es sich bei dem Fund um eine neue Art oder sogar eine neue Gattung handelt, wie groß dieses Exemplar zu Lebzeiten war, wie es gelebt hat und was nach seinem Tod mit dem Skelett passiert ist.

Der westfälische Fischsaurier
Zur Zeit der Dinosaurier sah Westfalen noch ganz anders aus, Westfalen war von Wasser bedeckt. Im damaligen "westfälischen Meer" tummelten sich neben kleinen und großen Fischen auch Reptilien, wie die Ichthyosaurier. Forscherinnen entdeckten weltweit bisher an die hundert Arten, einige sind bis zu 20 Meter lang, mit Augen so groß wie Fußbälle.

Die fossilen Überreste des Ichthyosauriers aus Jöllenbeck gelangten vor zwei Jahren in das Naturkundemuseum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). Ungefähr 150 Einzelstücke, darunter Schädelknochen, Rippen, Wirbel, Zähne und Knochen aus den Flossen kamen ins LWL-Museum. Das Besondere: alle gehören zu ein und demselben Tier, was nur selten der Fall ist bei solchen Funden. Einige Fossilien sind dabei kleiner als die Spitze eines kleinen Fingers, andere ungefähr faustgroß. 

Die Bergung: "Nur einmal im Leben"
Andreas Müller und sein Sohn Florian, beide aktiv im Paläontologischen Arbeitskreis Porta Westfalica-Kleinbremen, machten sich im Juni 2018 zu einer Exkursion in eine Tongrube bei Jöllenbeck auf. "Auf so einer Exkursion musst du dich erst eine Weile in das Gelände 'eingucken', weil du erstmal gar nichts erkennst. Dann steht mein Sohn auf dieser Halde und findet plötzlich einen Knochen und dann noch einen und noch einen, es wurden immer mehr", erklärt Hobby-Paläontologe Andreas Müller. 

Doch es gab ein Problem, denn ein Radlader arbeitete nicht weit entfernt vom Fundort in der aktiven Tongrube. Kurzerhand entschlossen sich die beiden Fossiliensammler, alle Reste einzusammeln und so vor der Verarbeitung zu retten. 

Anschließend kontaktierten sie das LWL-Museum für Naturkunde in Münster. "Es ist gesetzlich vorgesehen, dass Fossilienfunde gemeldet werden. Wenn in Westfalen-Lippe ein Fossil gefunden wird, können wir meist anhand der Fundmeldung schon aus der Ferne einschätzen, ob es sich um eine bedeutende Entdeckung handelt", erklärt Achim Schwermann, Paläontologe am LWL-Museum für Naturkunde. 

Bei diesem Fund war allen Beteiligten sofort klar, dass es sich um ein Fossil von ganz besonderer Bedeutung handelt. Das Denkmalschutzgesetzt NRW klassifiziert ihn als einen "Schatzregalfund". Andreas Müller: "Einen solchen Fund macht man nur einmal im Leben, das ist wirklich ganz selten und ein wahrer Glückstreffer."

Die Präparation: "Wie Eisen von Butterkeksen trennen"
"Die vergangenen Millionen Jahre haben natürlich Spuren hinterlassen: Stein und Fossil sehen sich so ähnlich, da muss man schon genau hingucken, um Unterschiede zu erkennen", so Manfred Schlösser, geologisch-paläontologischer Präparator beim LWL in Münster, der die Aufgabe hatte, dass Fossil zusammenzusetzen und zu präparieren.

Zunächst wurden die kleineren Gesteinsstücke zusammengepuzzelt. Eine große Herausforderung, da bestimmte Teile des Puzzles, also des Fossils, fehlten. Doch es gelang, einige kleinere Gesteinsstücke zu größeren Gesteinsplatten zusammenzufügen. Noch schwieriger war aber der Umstand, dass die Überreste des Ichthyosaurier-Exemplars im Laufe der Millionen Jahre porös geworden waren, das Gestein aber hart blieb. "Stellen Sie sich vor, Sie müssen Eisen von Butterkeksen trennen, ohne das der Keks Schaden nimmt. Das erfordert viel Fingerspitzengefühl und noch mehr Geduld", erklärt Schlösser weiter. 

Möglich machen die Arbeit Schlössers beste Helfer, eine spezielle Präparationstechnik und ein Druckluft-Präparationsstichel. Ein Werkzeug, dass nicht nur ähnlich aussieht wie ein Zahnarztbohrer, sondern auch genauso klingt. Nicht nur Knochen werden so vom Gestein befreit, auch die sogenannte Begleitfauna wie beispielsweise Ammoniten und Belemniten (Verwandte der Tintenfische) sowie Muscheln. So entsteht ein Eindruck davon, in welchem Biotop der Fischsaurier lebte. 

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