Foto Klaus Lefebvre: Rosana Cleve, Johannes Langer, Ivana Langmajer (v.li.)
Beim WG-Abendessen verkündet Benny die Neuigkeit: Er wird für ein Jahr als Dozent in die USA gehen. In dieser Zeit würde er das Zimmer gerne Flüchtlingen zur Verfügung stellen. Die Fotografin Sophie ist begeistert und plant gleich ein Dokumentarprojekt. Doro, die WG-Älteste, hält nichts von sozialen Experimenten in den eigenen vier Wänden, ihr Bedarf an Kontakt mit fremden Lebenswelten ist gedeckt. Und wenn Jonas den Posten bei der Bank schon sicher hätte, fände er Bennys Idee total gut, aber der Lärm . . . Auch Anna, das Nesthäkchen der WG, hat etwas zu verkünden: Sie ist schwanger und würde gern mit dem Kindsvater zusammenziehen. Als der später vorbeischaut, bekommt die Diskussion eine neue Note – denn der sympathische Sozialarbeiter Achmed äußert sich unverblümt über Araber und Gutmenschen.
Wo verläuft unsere Toleranzgrenze? Wie steht es wirklich um die Bereitschaft, die eigene Komfortzone aufzugeben? Das Autorenduo Lutz Hübner und Sarah Nemitz holt die Diskussion über die gesellschaftliche Umordnung ins Wohnzimmer der bürgerlichen Mitte.
Die Figuren sind durchaus gut beobachtet und mit einer Prise Ironie ausgestattet, wirken mitunter aber auch etwas schablonenhaft. "Willkommen" ist eine Gesellschaftssatire über den Benefit einer Wohlstandsgesellschaft mit ihren Menschen und Schicksalen. Über (Neo-)Kolonialismus und seine Konsequenzen. Über eine Gesellschaft, die sich zwar als hochgradig emphatisch wahrnimmt, zugleich aber voller Vorurteile gegenüber fremden Kulturen ist, die zwischen Narzissmus und Rassismus schwankt.
Wer sich jetzt aber unter "Willkommen", das am 22. September im Wolfgang Borchert Theater Premiere feierte, trockenes Dozieren mit erhobenem Zeigefinger vorstellt, liegt gründlich falsch. Vielmehr gelingt es dem Ensemble, eine fast boulevardeske Stimmung zu erzeugen, die den ganzen Abend über anhält. Ein sperriges Thema, mit leichter Hand inszeniert.