19. September 2023 / Aus aller Welt

Was Städte gegen Klimafolgen tun können

Extremwetterereignisse machen den Klimawandel auch in Deutschland spürbar. Vom 18. bis 22. September geht es bei der Woche der Klimaanpassung um die Frage: Wie können sich Städte gegen die Klimakrise wappnen.

Ein Personenzug der Deutschen Bahn fährt im Januar 2023 durch eine überschwemmte Flussniederung bei Eichen in Hessen.

Überschwemmte Straßen, vertrocknete Parks, Hitzetote - auch in deutschen Städten machten sich in den vergangenen Jahren zunehmend die Folgen von Wetterextremen bemerkbar. Seit Jahrzehnten warnen Experten vor den durch den Klimawandel steigenden Temperaturen und vor Trockenheit, aber auch vor mehr Unwettern und Hochwasser. Gerade in Städten kann das verheerende Konsequenzen haben.

Denn die asphaltierten oder betonierten Flächen in Städten speichern besonders gut die Hitze, erklärt Jörn Birkmann, Leiter des Instituts für Raumordnung und Entwicklungsplanung der Universität Stuttgart. Gleichzeitig kann Regenwasser gar nicht oder nur schwer versickern. Solche versiegelten Areale stellen nach Angaben des Umweltbundesamtes rund 45 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsflächen in Deutschland.

Unter dem Stichwort «Klimaresilienz» untersuchen Fachleute wie Birkmann daher, wie Städte sich besser für die Folgen der Klimakrise wappnen können. «Es geht nicht allein um die Frage, wo der nächste Starkregen oder wie stark die nächste Hitzewelle sein wird, sondern auch darum, wie man Bürger und sensible Infrastrukturen auf solche Ereignisse vorbereiten und im Notfall bestimmte Funktionen sichern kann», sagt Birkmann der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Tausende Tote durch Hitzewelle

Dabei sei es wichtig, aus vergangenen Extremwetterereignissen zu lernen - etwa aus der Flutkatastrophe im Ahrtal oder Hitzewellen in Frankreich. Bei den Überschwemmungen im Ahrtal kamen 2021 mindestens 184 Menschen ums Leben, in Frankreich starben 2003 Tausende Menschen an den Folgen einer extremen Hitzewelle.

«Wasser kann in einer fortschrittlichen Stadtplanung nicht nur das Problem sein, sonder auch helfen und Probleme lösen», sagt Roland Müller, Leiter des Umwelt- und Biotechnologischen Zentrums am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). Es brauche daher eine «urbane Wasserwende». So müssten Städte Wasser speichern, wenn es im Überfluss vorkommt - also bei Regen oder Starkregen -, um dann darauf zurückzugreifen, wenn es knapp ist. Städte, die diesen Ansatz verfolgen, werden oft als Schwammstädte bezeichnet.

Durch eine sogenannte blau-grüne Infrastruktur könnten Städte entsiegelt und das natürliche Abflussverhalten des Regenwassers imitiert werden, so Müller. «Am bekanntesten sind wahrscheinlich die Gründächer, aber da gehören auch Fassadenbegrünungen, neu gestaltete Innenhöfe oder ganz alte Module der Siedlungswasserwirtschaft wie Mulden-Rigolen-Systeme dazu.» Bei Letzterem wird Regenwasser in einer Grube aufgefangen und in einen unterirdischen Speicher geleitet. Verhältnismäßig neu sei, dass man in Rigolen auch Bäume setze.

Städte müssen sich anpassen

In Leipzig arbeitet das Modellprojekt «Leipziger BlauGrün», das Müller leitet, an eben solchen Lösungsansätzen für Stadtquartiere. «Wir haben von Anfang an versucht, die Wasserperspektive deutlich in den Mittelpunkt zu stellen», sagt Müller. Es sei wichtig, städtische Akteure wie Stadtplanungsämter, Umweltämter und kommunale Wasserwerke mit der Wissenschaft zusammenzubringen. Denn eine der größten Herausforderungen auf dem Weg zur Klimaresilienz sieht Müller in der Komplexität der Sache: «Man muss sektorenübergreifendes Fachwissen zusammenbringen und integriert planen», so der Experte.

Für eine klassische Stadt mittlerer Größe sei der Ansatz der Schwammstadt zwar richtig, um massive Wassermassen zu bewältigen, aber nicht hinreichend, sagt Birkmann. «Es geht vielfach auch darum, bei großen Wassermassen dafür zu sorgen, dass das Wasser ohne größere Schäden anzurichten durch die Stadt fließen kann» - etwa durch entsprechende Abflüsse auf der Straße.

Ohne eine Klimaanpassung kommen Forschern zufolge verschiedene Probleme auf die Städte und Kommunen zu. Sogenannte unterirdische Wärmeinseln können beispielsweise Bodenverformungen verursachen, die sich negativ auf die Leistungsfähigkeit von Gebäuden und Infrastruktur auswirken, wie eine Studie kürzlich am Beispiel Chicago zeigte.

Verschattung als effektivste Maßnahme

«Ab einer bestimmten Temperaturveränderung wird es auch gesundheitlich gefährlich», sagt Birkmann. Nach Einschätzung von Gesundheitsexperten dürfte die Zahl der Hitzetoten im Zuge der Erderwärmung Jahr für Jahr steigen. Im Sommer 2022 soll es einer Studie zufolge in Europa bereits mehr als 60.000 hitzebezogene Todesfälle gegeben haben - davon mehr als 8000 in Deutschland.

Um der Hitzegefahr entgegenzuwirken, seien Anpassungsmaßnahmen wie Klimaanlagen oder gekühlte Räume wichtig, so Birkmann. «Die haben aber sicherlich ähnlich wie in der Corona-Pandemie den Nachteil, dass sie sehr kleinräumig sind und keine echte Lebensqualität in den Städten garantieren.» Damit vulnerable Gruppen nicht den ganzen Sommer zuhause oder in der klimatisierten Stadtbibliothek verbringen müssten, sei eine Klimaanpassung ganzer Quartiere oder Städte notwendig.

Messungen und Stadtklimasimulationen hätten nachgewiesen, dass Verschattung die effektivste Maßnahme sei, um Hitzebelastung im Freien zu verringern, erklärt Astrid Ziemann, Meteorologin an der Technischen Universität Dresden. «Für die Stadtbewohner verringert sich unter einem Baum die gefühlte Temperatur um über 10 Grad.» Auch ausgedehnte, unverbaute Wiesenflächen und Ventilationsschneisen könnten im Stadtquartier für kühle Luft sorgen.

Besonders dringlich ist es um die Klimaanpassung dort bestellt, wo sich vulnerable Gruppen aufhalten. «Wir müssen Resilienz- und Anpassungsstandards einführen, die zusehen, dass eine Hitze- und Starkregenvorsorge beim Bau wichtiger Infrastrukturen wie Schulen, Krankenhäuser und Altersheime zukünftig berücksichtigt wird», sagt Birkmann. «Denn wenn es ein Extremereignis mit Schäden in diesen Bereichen gibt, ist es nicht unwahrscheinlich, dass Leute sterben.»


Bildnachweis: © Boris Roessler/dpa
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