12. Juli 2018 / Kunst & Kultur

Intendant Zanger stellt Spielplan 2018/19 für Wolfgang Borchert Theater vor

Nach ¼ Jahrhundert steht mit MUTTER COURAGE mal wieder Brecht auf dem Plan

Intendant Zanger stellt Spielplan 2018/19 für Wolfgang Borchert Theater vor

Foto: v.l.n.r: Chefdramaturgin Tanja Weidner, Intendant Meinhard Zanger, Dramaturgin Silvia Drobny


Intendant Meinhard Zanger hat den Spielplan 2018/19 vorgestellt. Unter dem Motto „Brecht auf!“ setzt das WBT auch in der kommenden Spielzeit in den sieben Premieren die Linie der „politisch motivierten Stücke“ fort. „Das gesellschaftliche Klima in unserem Lande hat sich gewandelt. Nicht mehr Einheit und Zusammenhalt bestimmen unser Leben, sondern Individualisierung, Ausgrenzung und Polarisierung. Die zunehmende Digitalisierung wird das Arbeitsleben radikal verändern. Die Antwort der Kunst muss sein, ein Zeitalter der neuen Aufklärung entgegen zu setzen.“, so der Intendant.

So wird erstmals nach mehr als einem Vierteljahrhundert wieder ein Stück von Bertolt Brecht gespielt. Im Januar 2019 gelangt Brechts Chronik aus dem 30jährigen Krieg MUTTER COURAGE UND IHRE KINDER mit der Musik von Paul Dessau zur Premiere (24.1.). Die Geschichte einer Marketenderin, die am Krieg verdienen will und dennoch feststellen muss, dass ihrer Familie der Krieg vor allem den Tod bringt. Ende November bringt Kathrin Sievers in einer eigenen Theaterfassung Horváths JUGEND OHNE GOTT heraus (29.11.). Horváth weist in seinem Ende der 1930er Jahre entstandenen Roman auf die Gefahren eines faschistischen Staates und dessen schädliche Wirkung auf die Jugendlichen hin. Am Beispiel eines 34-jährigen Lehrers schildert er, wie der Einzelne in einer Diktatur für das freie Äußern seiner Meinung verurteilt und zum Opportunisten wird. Tanja Weidner inszeniert zum vierten Mal Kleist am Haus, diesmal DIE MARQUISE VON O. als aktuellen Beitrag zur #MeToo-Debatte (28.2.).

Umrahmt werden die Klassiker durch Stücke der neuen deutschen Dramatik. So führt der Hamburger Hartmut Uhlemann, zuletzt am Ernst-Deutsch-Theater tätig, Regie zur Spielzeit-Eröffnung (22.9.). WILLKOMMEN heißt das 2017 entstandene Stück des Autoren-Duos Lutz Hübner und Sarah Nemitz. Es zeigt eine Wohngemeinschaft, die damit konfrontiert wird, dass ein auszugswilliger Bewohner sein Zimmer einem Flüchtling zur Verfügung stellen will. Das sorgt für Konflikte und Komik. Wenige Wochen darauf folgt HEISENBERG von Simon Stephens (11.10.), 2015 in New York uraufgeführt – die Versuchsanordnung einer schrägen Liebesgeschichte zwischen der 40jährigen Georgie und dem 70jährigen Metzger Alex, Regie: Tanja Weidner. Wie auch bei MUTTER COURAGE wird die in Nishni Nowgorod lebende Bühnen- und Kostümbildnerin Olga Lageda hier die Ausstattung entwerfen.

Als deutsche Zweitaufführung folgt im April 2019 DIE MITWISSER. Der mehrfach preisgekrönte 40jährige Autor Philipp Löhle schrieb das Stück, das er selbst „Eine Idiotie“ nennt, für das Düsseldorfer Schauspielhaus. Dort wurde es am 28. April ds. Js. uraufgeführt. Als hätte Kafka Pate gestanden besorgt sich der Enzyklopädist Theo Glass einen dienstbeflissenen Herrn Kwant. Der erleichtert Theo die Arbeit. Theo ist begeistert.  Anna, Theos Freundin, ist skeptisch. Ihrer Auffassung nach mischt sich Herr Kwant auch in persönliche Dinge ein, hört und sieht alles. Bald stellt sich die Frage: wird Theo nicht überflüssig? – Eine hellsichtige Komödie, in der Löhle die Digitalisierung in ein analoges Paralleluniversum versetzt. Nach Kafkas VERWANDLUNG führt nach knapp vierjähriger inszenatorischer Schaffenspause Monika Hess-Zanger Regie. Am 23. Mai 2019 setzt Tanja Weidner mit ihrer Inszenierung von EUROPA VERTEIDIGEN den Schlusspunkt der Saison. Der 36jährige Autor Konstantin Küspert erhielt für seine politische Groteske, in der er die Wertegemeinschaft Europa vor dem Hintergrund ihrer kriegerischen Auseinandersetzungen scharfsinnig und bitter-böse aufs Korn nimmt, 2017 bei den Mülheimer Theatertagen den Publikumspreis.

Und schließlich wirkt das WBT im gemeinsamen Projekt des Labels FreiFrau 24hMünster mit. Es stellt nicht nur zwei Regisseure, Dramaturgin Silvia Drobny und Regieassistentin Isabel Nagel zur Verfügung, sondern auch zwei Schauspieler: Rosana Cleve und Florian Bender, der im Part des Kleinen Bühnenbodens mitwirkt. Die Premiere findet am 2. Oktober 2018, um 17 Uhr bis 3. Oktober 17 im Wolfgang Borchert Theater statt.

 

Bilanz 2017/18
Die Spielzeit 2017/18 war die erfolgreichste Saison in der 62jährigen Geschichte des Wolfgang Borchert Theaters. Künstlerische Highlights waren die Eröffnungsinszenierung DIE SCHROFFENSTEINS – EINE FAMILIENSCHLACHT, eine bilinguale Koproduktion mit dem Drama Theater aus Rjasan, Münsters russischer Partnerstadt. Insgesamt wurde die Produktion 25 Mal gespielt, nicht nur in beiden Städten, sondern auch in Belgrad und Moskau. Im Sommer folgt ein weiteres Gastspiel auf dem „Festival der Alten Städte“ in Rjasan. Das WBT ist hier Teil der offiziellen Delegation der Stadt Münster. Im Oktober geht es nach St. Petersburg. Auf dem 2. Internationalen Theater-Festival im November 2017 in Rjasan wurde die Produktion mit insgesamt vier Preisen ausgezeichnet, darunter Intendant Meinhard Zanger in der Rolle des Grafen Sylvester in der Kategorie „Bester Darsteller des Festivals“. Seine Inszenierung von Joshua Sobols Doku-Drama GHETTO wurde für den Monica-Bleibtreu-Preis 2018 nominiert und eröffnete im Altonaer Theater die 7. bundesweiten Privattheatertage in Hamburg. Nach Shakespeares SOMMERNACHTSTRAUM im Gasometer 2012 wurde auch die Open-Air-Produktion DER STURM gleichermaßen von Presse und Publikum gefeiert. Nicht mal drei Wochen nach der Premiere am 16. Juni 2018 waren alle 50 Vorstellungen ausverkauft. Zusammen mit den Previews und der zweiten Staffel vom 21. August bis 16. September werden insgesamt 22.210 Besucher das Spektakel in Münsters Hafen gesehen haben. Wegen der großen Nachfrage sind im August zwei Zusatzvorstellungen geplant.

Als weitere Highlights können Jürgen Lorenzens Solo ICH WERDE NICHT HASSEN des Palästinensers Izzeldin Abuelaish und Claus Peymanns Lesung von Bernhards HOLZFÄLLEN. EINE ERREGUNG betrachtet werden. Friedensbotschafter Abuelaish kam zu einer eigens angesetzten Vormittagsvorstellung. Mit dem Rektor der WWU, Prof. Dr. Johannes Wessels gab es einen Austausch. Die Stadt Münster, vertreten durch Bürgermeisterin Wendela-Beate Vilhjalmsson, empfing Abuelaish im Friedenssaal der Stadt, wo er sich ins Gästebuch eintrug.  

Am 1. Juni 2018 fiel nach sechs Jahren und 162 Vorstellungen mit 20.488 Zuschauern der letzte Vorhang für FRAU MÜLLER MUSS WEG – der Komödie von Lutz Hübner und Sarah Nemitz über Helikopter-Eltern, die aus Sorge um vermeintlich schlechte Noten die Klassenlehrerin ihrer Kinder mobben. An ihre Stelle könnte WUNSCHKINDER des Autoren-Duos treten, das mit 22 Vorstellungen, 2.818 Zuschauern und einer Auslastung von 87,7 % die erfolgreichste Neuproduktion der Saison im Hause ist. Auch HAROLD UND MAUDE – entwickelt sich mit 94,2 % Auslastung zum Publikumsliebling.

Punktgenau zur Premiere des STURM erschien im Coppenrath-Verlag das Buch ALLES VERSPIELT über die bewegende 60jährige Geschichte des Wolfgang Borchert Theaters. Es ist im Handel für 19,90 EUR zu erwerben. Kurz nach Erscheinen waren die ersten 100 Exemplare verkauft.

Die beliebte und stets vollbesetzte Matineen-Reihe Das philosophische Café, präsentiert von der Philosophin Dr. Christa Runtenberg, wird auch 2018/19 fortgesetzt. Mit Jannike Schubert verlässt ein festes Mitglied das Ensemble, bleibt dem Haus aber als Gast erhalten. Auch Hannah Sieh und Alice Zikeli werden weiterhin zu sehen sein.

Neu ins Ensemble kommt aus Koblenz fest Ivana Langmajer, die 2006 in Köln den Nachwuchsdarstellerpreis „PUCK“ erhielt und Atilla Oener aus Berlin, der auch als Autor und Regisseur reüssierte.

Der Abo-Verkauf sowie der Kartenvorverkauf für September und Oktober haben bereits begonnen.

Insgesamt besuchten in der laufenden Saison 43.640 Zuschauer die 263 Vorstellungen des WBT in Münster – so viele wie noch nie in einer Saison. Das sind absolut 7.140 bzw. 19,6 % mehr als 2016/17. Die Auslastung beträgt 88,7 % (+0,4 %).

Darüber hinaus waren weitere 4.670 Zuschauer in 20 Gastspielen zu verzeichnen. Davon allein 2.593 bei acht Vorstellungen der  SCHROFFENSTEINS in Rjasan, Belgrad und Moskau. Gastspiele von ER IST WIEDER DA und WIR SIND DIE NEUEN fanden in Bocholt, Friedrichshafen / Bodensee und GHETTO in Hamburg vor 1.702 Zuschauern. Es gab fünf Aufführungen des Klassenzimmerstücks PATRICKS TRICK in Coesfeld, Hamm, Münster, Steinfurt und Telgte, Kafkas VERWANDLUNG wurde im Gymnasium Waltrop in Dorsten gespielt – vor insgesamt 375 Schülern und Lehrer.

In toto sahen 48.310 Besucher 283 Vorstellungen des WBT in Münster und unterwegs.

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