9. Mai 2018 / Kirche & Glauben

101. Deutsche Katholikentag offiziell eröffnet

Rede von Prof. Dr. Thomas Sternberg, Präsident des ZdK, zur Eröffnungspressekonferenz

101. Deutsche Katholikentag offiziell eröffnet

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

zuerst darf ich Ihnen ein herzliches Willkommen in meiner Heimatstadt Münster sagen, wie ich es in wenigen Stunden auch den Teilnehmern des 101. Deutschen Katholikentags bei der Eröffnung auf dem Domplatz zurufen werde. Endlich wieder ein Katholikentag in Münster, nach 88 Jahren Abstinenz! Das wurde, wie ich meine, auch höchste Zeit!

Großer Zuspruch

Dass ich das nicht alleine so sehe, zeigt der sehr große Zuspruch, mit dem die Menschen in Stadt und Bistum Münster und in ganz Deutschland unsere Einladung angenommen haben. Mehr als 50.000 Menschen haben bereits eine Dauerkarte erworben, hinzu kommen jetzt schon rund 20.000 Tagesteilnehmer. Seit dem historischen Katholikentag 1990 in Berlin, kurz nach dem Fall der Mauer, haben nicht mehr so viele Menschen den Weg zum Katholikentag gefunden und ich bin sicher, es werden in den kommenden Tagen noch mehr. Und doch gilt: nicht die möglichst hohe Zahl macht den Erfolg eines Katholikentags aus.

Sie alle werden einen fröhlichen, vielgestaltigen aber auch spannenden Katholikentag erleben. Mit seinen mehr als 1000 Veranstaltungen, den großen und kleinen Diskussionsforen zu politischen, gesellschaftlichen, kirchlichen und theologischen Fragen, mit den über 300 Angeboten des Kulturprogramms, mit den Gesprächs-, Beratungs- und Begegnungsangeboten, mit den Gottesdiensten und nicht zuletzt den Festen haben wir, gemeinsam mit tausenden Ehrenamtlichen, ein hoch attraktives Programmangebot unter dem Leitwort „Suche Frieden“ erarbeitet.

Für jeden einen Platz!

Allen, die gelegentlich fragen, ob der Katholikentag nicht ein zu großes Angebot bereithält, möchte ich schon heute zweierlei entgegenhalten: Erstens, der Katholikentag ist ein Spiegel der großen Vielfallt kirchlicher Angebote, Aktivitäten und Überzeugungen, anders gesagt, der Spiegel einer sehr aktiven Kirche. Und das ist gut so! Und zweitens: Wer viele Menschen einlädt, sollte auch für jeden einen Platz haben!

Wir haben in diesem Jahr 32 besondere Podien markiert im Programm, die das Leitwort in politisch-sozialer und kirchlich-theologischer Hinsicht entfalten. Ich empfehle sie Ihrer besonderen Aufmerksamkeit.

Frieden und Gerechtigkeit

Alle unsere Angebote stehen dieses Mal unter dem Leitwort „Suche Friede“. Es ist schon viel gesagt und geschrieben worden über die Verbindung dieses Leitwortes mit der Friedensstadt Münster, mit den historischen Daten zum Dreißigjährigen Krieg und zum Ende des Ersten Weltkriegs. Auch die gegenwärtige internationale Situation mit ihren zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen, gerade im Nahen Osten, zeigt die unabweisbare Aktualität der Hausforderung, Frieden zu suchen. Suche Frieden, das ist Imperativ und Regel für ein gutes Leben: Suche Frieden und jage ihm nach, sagt Psalm 34. Zugleich ist es in der Form „ich suche Frieden“ das Eingeständnis, dass auch wir auf Frieden angewiesen sind, wie ihn uns Christus verspricht: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch“.

Ich bin in der letzten Zeit häufiger gefragt worden: Ist dieses Thema nicht allzu selbst- und einverständlich? Unbestreitbar wollen alle Frieden! Wo liegt da der Diskussionsbedarf? Dieser Katholikentag wird zeigen, dass es nicht um „Friede, Freude, Eierkuchen“, eine beliebige Friedenssehnsucht geht. Man muss sich über den richtigen Weg zum Frieden auch auseinandersetzen. Die Suche nach einem wirklichen Frieden, auf der persönlichen, auf der zwischenmenschlichen, auf der gesellschaftlichen und zwischenstaatlichen Ebene ist eine große Herausforderung und ein schweres Stück Arbeit. Das zeigen die Friedensprozesse in Südafrika nach der Apartheid, auf dem Balkan nach den Kriegen der Neunziger Jahre, in Kolumbien und anderswo. Das kann aber auch jeder ganz persönlich nachempfinden, wenn er einmal eine schwere familiäre Krise mit Zugeständnissen auf allen Seiten beilegen konnte.

Der Katholikentag hier in Münster wird deutlich machen, dass es keinen Frieden ohne Gerechtigkeit gibt. Gerechtigkeit und Friede sind untrennbar miteinander verbunden. Es gibt keinen Frieden ohne Gerechtigkeit und keine Gerechtigkeit ohne Frieden! Der Psalm gebraucht das schöne Bild „Gerechtigkeit und Frieden küssen sich“ (Ps 85,11) Ein Frieden ohne Gerechtigkeit ist ein fauler Friede – eine Gerechtigkeit ohne Frieden Tyrannei. Deshalb erwarte ich, dass in den kommenden Tagen die Suche nach dem gerechten Frieden Spannung in unser Thema bringt. Gleichzeitig öffnet uns die Frage nach dem gerechten Frieden den Blick auf unsere globale und generationenübergreifende Verantwortung. Weder in der Flüchtlings- noch in der Umwelt- oder Sozialpolitik können wir an der Frage der Gerechtigkeit vorbeischauen.

Als Christen sind wir davon überzeugt, dass alle Menschen in gleicher Weise Kinder Gottes sind und jedem die gleiche Würde zusteht. In dieser Überzeugung haben wir als Zentralkomitee der deutschen Katholiken gestern ein „Münsteraner Manifest“ verabschiedet, in dem wir Respekt und Vertrauen für unsere Demokratie, den Einsatz für soziale Gerechtigkeit in unserem Land, die Solidarität mit den Ärmsten weltweit und den Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung eingefordert haben. Wir verstehen dieses Manifest auch als Botschaft der Veranstalter dieses Katholikentags.

Gegen Populismus und Fremdenfeindlichkeit

In dem Manifest heißt es: „Auch in unserem Land haben bei vielen Unzufriedenheit, Misstrauen und Feindseligkeit einen breiten Raum eingenommen. Für die großen Herausforderungen unserer Gegenwart versprechen manche gesellschaftlichen und politischen Kräfte vermeintlich einfache Lösungen. Sie glauben, dass Nationalismus und Egoismus uns einen Vorteil verschaffen könnten. Manche von ihnen setzen auf Ausgrenzung, Verleumdung und Hetze. Wir sind überzeugt: Ein konstruktives und friedliches Miteinander kann nur erreicht werden, wenn Respekt, Vertrauen und die gegenseitige Anerkennung der jeweils Anderen, die sich in ihrer Lebensweise, ihrem religiösen Bekenntnis und ihrer Herkunft unterscheiden, selbstverständlich sind und von allen geachtet werden. Wir Demokraten sind in unserem Land die große Mehrheit – Gott sei Dank! Wir haben unsere bitteren Lektionen aus der Geschichte gelernt. Wir stehen auf für unsere Art des Zusammenlebens.“

Dem werden die vielen Veranstaltungen folgen, davon bin ich fest überzeugt. Der Katholikentag wird eine klare Manifestation gegen Populismus und Fremdenfeindlichkeit in unserem Land, für die Bereitschaft der Christen zu Solidarität, Toleranz und Verantwortungsbereitschaft.

Die Kirche für die Welt fit machen

Ein Katholikentag wäre kein Katholikentag, wenn er neben den Themen der Welt nicht auch die Themen der Kirche zu seinen Themen machen würde. Das ist spätestens seit dem Katholikentag vor fünfzig Jahren 1968 in Essen so und das werden wir auch hier in Münster tun. Aber lassen Sie mich ganz deutlich sagen: Dabei geht es nicht um eine Nabelschau und Selbstbeschäftigung. Wie kein anderer fordert uns Papst Franziskus heraus, darüber nachzudenken, wie wir Kirche für diese Welt, in dieser Zeit sein können, und also zu bedenken, was es bedeutet, als Christen an die Ränder der Kirche zu gehen und weiter als der Kirchturm zu denken. Wir sind nicht Kirche für uns, sondern Kirche für die Anderen, dem Dienst verpflichtet.

Der Papst erinnert aber auch uns Laien daran, selbstbewusst und gestützt auf Taufe und Firmung, Verantwortung auch für die Gestaltung unserer Kirche zu übernehmen. Auf dem Katholikentag wollen wir uns fragen, wie wir die Friedensbotschaft Jesu in veränderten Verhältnissen umsetzen können, und welche Gestalt unsere Kirche braucht, um diesen Auftrag zu erfüllen.

In dieser Haltung werden wir über Fragen der Ökumene, der Gemeindefusionen, den immer bedrohlicher werdenden Priestermangel, die Ämterfrage, die Rolle der Frau in der Kirche und vieles mehr diskutieren. Die Frage nach Frieden in Gerechtigkeit ist, nach Subsidiarität und Synodalität sind eben auch Fragen, die in die Mitte unserer Kirche zielen.

Dialog der Religionen

Die aktuelle Diskussion um das Kreuz in öffentlichen Räumen hat uns erneut gezeigt, wie wichtig die Frage nach dem Verhältnis von Religion in Staat und Gesellschaft und ihren Beitrag für den innergesellschaftlichen Frieden ist. Dazu gehört auch der Dialog der Religionen untereinander. Nur gegenseitiges Verstehen ermöglicht ein friedliches Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Religionen und Konfessionen in einer Gesellschaft. Aber kein Staat kann den inneren Frieden dauerhaft bewahren, wenn er sein Verhältnis zu den Religionsgemeinschaften und Gläubigen nicht geklärt hat. In Deutschland haben wir hierfür ein gutes Miteinander, das es angesichts aktueller Entwicklungen aber immer neu zu bedenken gilt. Darum haben wir sowohl das Verhältnis von Staat, Kirche und Religion, wie den Dialog der Religionen zu einem Schwerpunkt dieses Friedens-Katholikentags gemacht.

Innerer Frieden und Sicherheit

Auf besonders erschreckende Weise hat die furchtbare Amokfahrt deutlich gemacht, was die Suche nach dem persönlichen Frieden bedeutet. Vor wenigen Wochen riss ein Amokfahrer drei Menschen mit in seinen Tod; Verletzte liegen noch heute in den hiesigen Krankenhäusern. Wie friedlos muss ein solches Leben sein, wie misslang hier die Suche nach dem inneren Frieden? Es geht um den Frieden, der uns von Jesus Christus zugesagt wird und den wir uns sagen: „Der Friede sei mit dir“. Wie finde ich den Frieden, den ich selbst suche für mich und meine Umgebung?

Und stehen wir nicht alle vor der Herausforderung, zu akzeptieren, dass es eine letzte Sicherheit im menschlichen Leben nie geben kann? Wie gehen wir damit um? Auch diese Fragen sind ein Teil der Suche des Katholikentags hier in Münster. All diese Fragen zeigen, dass unsere Anzeige „Suche Frieden“ keine einfachen und leichtverdaulichen Antworten verträgt. Lassen Sie uns in den kommenden Tagen auf die Suche gehen!

Kultur, Feier und Gottesdienst

Dass sich diese Suche nicht nur in Gespräch und Diskussion erschöpft, sondern die ganze Wahrnehmungsfähigkeit des Menschen anspricht, zeigt unser vielfältiges Kulturprogramm, mit Musik, Kabarett, Literaturlesungen, Film, Ausstellungen und Vielem mehr. Besonders im Zusammenhang dieses Leitworts zeigt sich die Richtigkeit, dass das Kulturprogramm integraler Bestandteil der Veranstaltungen des Katholikentags ist. Vom Unfrieden spricht man in Friedenszeiten am besten mit den Mitteln der Kunst: in Film, Erzählung, Theater und Musik werden Unfrieden und Ungerechtigkeit besser erfahrbar als in theoretischen Erörterungen. Besonders die Vielzahl der Ausstellungen möchte ich ihnen ans Herz legen: besonders das große Projekt von fünf verschiedenen Trägern hier in der Stadt, aber auch eine Fülle kleinerer Ausstellungen unterschiedlichen Anspruchs.

Selbstverständlich haben wir, wie auf jedem Katholikentag, auch dafür gesorgt, dass wir ordentlich feiern können, gerade hier in Münster mit seinen westfälischen Spezialitäten. Überzeugen Sie sich davon heute Abend beim Abend der Begegnung und beim Fest am Samstag.

Als Christen wissen wir, dass dies alles nicht ohne Zutun Gottes gelingen kann. Darum werden wir in zahlreichen Gottesdiensten bitten und am Sonntag im großen Hauptgottesdienst auch Dank sagen.

Dank an Münster

Nach Leipzig mit seinen nur 20 % Getauften, wo wir 2016 dennoch so gastlich aufgenommen wurden, sind wir hier nur scheinbar wieder in klassisch katholischen Gefilden. Auch hier haben sich die Verhältnisse in den vergangenen 30 Jahren sehr verändert. Aber dennoch war die Bereitschaft, sich für den Katholikentag einzusetzen, überragend groß.

Deshalb darf ich nicht schließen, ohne denen zu danken, die die kommenden Tage möglich machen, der Stadt Münster, dem Diözesankomitee und Bistum Münster, den vielen Unterstützern und Finanziers, die uns in der Vorbereitung großartig unterstützt haben und die sich jetzt mit der bewährten westfälischen Gastfreundschaft als großartige Gastgeber erweisen.

Ich wünsche auch Ihnen interessante, nicht nur arbeitsreiche, sondern auch ertragreiche Tage. Am Samstag können wir, dann wieder an diesem Ort, Bilanz ziehen.

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