16. November 2023 / Aus aller Welt

Ehemalige Kurkinder fordern Aufarbeitung von Schikanen

Millionen von Kindern wurden über Jahrzehnte für sechs Wochen ohne ihre Eltern zur Kur geschickt. Viele erlebten Schläge und seelische Grausamkeiten. Auf einem Kongress tauschen sie sich aus.

Die historische Postkarte zeigt die Kinderheilanstalt «Waldhaus» in Bad Salzdetfurth. In diesem Heim und ähnlichen Einrichtungen soll es in der Nachkriegszeit zu Misshandlungen von Klein-...

Redeverbot, Schlafzwang, Schikanen beim Essen: Was nach 1945 über Jahrzehnte in deutschen Kinderkurheimen passierte, ist noch nicht umfassend aufgearbeitet worden. Millionen von Kindern im Alter zwischen zwei und zwölf Jahren wurden zur Erholung ohne ihre Eltern in Kurorte geschickte - viele kamen traumatisiert zurück. Auch der niedersächsische Kurort Bad Salzdetfurth war ein Ziel der Kinderverschickung.

Hier kamen Betroffene und Wissenschaftler zum Bundeskongress «Aufarbeitung Kinderverschickung» zusammen. Noch bis Sonntag läuft die Jahrestagung der Initiative Verschickungskinder und des Vereins Aufarbeitung und Erforschung Kinderverschickung. Unter anderem werden am Freitag drei Betroffene von ihren Erlebnissen als Kurkinder im Waldhaus in Bad Salzdetfurth berichten, wie die Veranstalter mitteilten.

Drei Todesfälle in wenigen Monaten

In dem Heim wurde 1969 innerhalb weniger Monate ein Dreijähriger von drei sechsjährigen Jungen totgeprügelt, ein Siebenjähriger erstickte an Erbrochenem und ein Mädchen starb infolge einer Infektion. Bei allen Todesfällen könne man zumindest ansatzweise Fahrlässigkeit unterstellen, heißt es in einer Studie, die die Diakonie dazu in Auftrag gab.

Zwischen 1950 und 1980 habe es eine Massenverschickung gesunder Kinder gegeben, sagte Anja Röhl, Gründerin der Initative Verschickungskinder. Danach sei die Zahl der Kinderkuren extrem zurückgegangen. Allerdings habe es noch bis Mitte der 90er Jahre in verbliebenen Kinderkurheimen brutale Umgangsformen gegeben.

Seit 2019 brechen immer mehr frühere Verschickungskinder ihr Schweigen. Rund 10 000 von ihnen haben laut Röhl einen standardisierten Fragebogen ausgefüllt, zudem finden sich auf Internet-Plattformen Tausende Erlebnisberichte - in viele ist von Schikanen sowie von Misshandlungen die Rede.


Bildnachweis: © Hauke-Christian Dittrich/dpa
Copyright 2023, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten

Meistgelesene Artikel

Blindgängerverdacht am Schlossplatz
Allgemein

Freilegung am 24. Januar geplant

weiterlesen...
Ausstellung „unSICHTBAR“ zeigt biomedizinische Bilder und Kunst
Bildung & Wissenschaft

Eröffnung und Rundgänge am 2. Februar im Multiscale Imaging Centre / Lichtprojektionen am 4. und 11. Februar

weiterlesen...

Neueste Artikel

USA: Transmann gequält und ermordet
Aus aller Welt

Ein grausamer Mord erschüttert den Norden des Bundesstaates New York. Fünf Tatverdächtige sind angeklagt.

weiterlesen...
Mindestens neun Tote nach Überflutungen in den USA
Aus aller Welt

Schwere Regenfälle haben Teile der USA getroffen. Den Bundesstaat Kentucky traf es besonders hart.

weiterlesen...

Weitere Artikel derselben Kategorie

USA: Transmann gequält und ermordet
Aus aller Welt

Ein grausamer Mord erschüttert den Norden des Bundesstaates New York. Fünf Tatverdächtige sind angeklagt.

weiterlesen...
Mindestens neun Tote nach Überflutungen in den USA
Aus aller Welt

Schwere Regenfälle haben Teile der USA getroffen. Den Bundesstaat Kentucky traf es besonders hart.

weiterlesen...