6. Dezember 2023 / Aus aller Welt

Der lange Kampf der Bahn gegen Schnee und Eis

Schnee, Schnee, Schnee - so viel wie lange nicht. Am Samstag hat es im Süden Bayerns extrem geschneit. Noch immer fahren Züge teils nicht regulär. Wie kam es dazu - wird es Konsequenzen geben?

Ein ICE steht auf einem verschneiten Gleis am Münchner Hauptbahnhof.

Schnee, so viel wie lange nicht - und nun tagelang Chaos. An den Bahnsteigen ratlose und genervte Menschen. Während auf den Straßen der Verkehr weitgehend rollt, ging es auf der Schiene nach den Schneefällen nur langsam wieder los. Das Geschehen mit zeitweise gänzlich eingestelltem Zugverkehr am Bahnhof München und auf vielen Strecken wirft Fragen auf.

Welche Gründe gab es für den teils kompletten Ausfall der Bahn?

Die Deutsche Bahn (DB) verweist auf die extreme Wetterlage: zuerst viel Schnee in kürzester Zeit, dann große Kälte. «Trotz intensiver Vorbereitungen kommen Mensch und Maschine bei extremen Wetterlagen an ihre Grenzen, wie es auch zum Beispiel im Münchner Nahverkehr oder beim Flughafen zu sehen war», sagt eine Sprecherin.

Auch Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) sagt: «Was wir am Wochenende in München erlebt haben, war kein normaler Wintereinbruch, sondern die größte Schneemenge in München seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Das war eine extreme Sondersituation in kürzester Zeit.» Aber auch: «Allerdings dauert die Situation auf der Schiene jetzt schon deutlich zu lange an.» Die Wetterlage sei angekündigt gewesen. Die Bahn müsse sich für die Zukunft besser aufstellen.

Liegt es an Einsparungen?

«Der Eindruck trügt leider nicht: Da ist deutlich gespart worden, zum Beispiel beim schweren Räumgerät», sagt Bernreiter. Auch Experten verweisen auf fehlendes wintertaugliches Material und Personal. «Winterbetrieb ist mit viel Handarbeit und Maschineneinsatz verbunden», sagt Heino Seeger, ehemaliger Geschäftsführer der Bayerischen Oberlandbahn und Eisenbahnbetriebsleiter. «Es ist billiger, bei solchen Lagen nicht zu fahren als gegen den Schnee und die Witterungsverhältnisse anzukämpfen. Reserven kosten Geld. Deshalb wurden Reserven gestrichen: beim Personal, bei den Zügen und beim Räumgerät», sagt Seeger.

«Es musste so kommen», meint der Leiter des Fachgebiets Schienenfahrzeuge an der Technischen Universität Berlin, Markus Hecht. Ein Problem sei auch das Fehlen von Schneefangzäunen, die Schneeverwehungen auf den Gleisen eindämmen könnten.

Auf was muss die Bahn sich künftig vorbereiten?

Gerade mit dem Klimawandel müsse eben nicht unbedingt mit weniger Schnee, sondern mit extremeren Wetterlagen gerechnet werden, darunter auch starke Schneefälle, sagt der Bundesvorsitzende vom Fahrgastverband Pro Bahn, Detlev Neuß. «Diese Wetterlagen sind keine Einzelfälle. Darauf muss sich die Bahn einstellen, das kostet Geld - und das Geld muss zur Verfügung gestellt werden.»

Es gehe auch um Erdrutsche nach schweren Regenfällen, Hagel und Sturm. Bahn-Experten nennen auch die 1993 beschlossene Bahnreform; mit der - so sagen die Fachleute - die Bahn nicht nur Geld kosten, sondern auch Geld einfahren sollte. Nun beginne ein Umdenken, sagt Neuß. «Das geht zwar für unseren Geschmack zu langsam, aber die Richtung stimmt: hin zu einem mehr gemeinwohlorientierten Unternehmen.»

Wer hat in Bayern entschieden, den Betrieb komplett einzustellen?

Die Deutsche Bahn hat dies entschieden. «Wir übernehmen die Verantwortung», unterstrich ein DB-Sprecher. «Am späteren Freitagabend erreichten uns innerhalb kürzester Zeit eine Vielzahl von Meldungen über Vegetation in Gleisen und Oberleitungen und weitere witterungsbedingte Störungen», hatte die DB zuvor mitgeteilt. Da die Wettervorhersagen weiteren starken Schneefall prognostizierten, habe die DB die Entscheidung getroffen, den Bahnverkehr im betroffenen Gebiet aus Sicherheitsgründen vorsorglich einzustellen.

Wie sieht die Ausstattung in Bayern aus?

Laut Mitteilung der DB Ende November besitzt sie in Bayern 13 bahneigene Räumfahrzeuge, bei 9800 Streckenkilometern in der Region Süd. Dazu kämen sieben Fahrzeuge der leichten Schneeräumtechnik: vier Multifunktionale Instandhaltungsfahrzeuge für die Schieneninfrastruktur und drei Gleisarbeitsfahrzeuge, hieß es.

Am Dienstag teilte die Bahn mit, die Zahl der Räumfahrzeuge sei nun aufgestockt worden. Mehr als 20 große Maschinen seien mittlerweile in der Region unterwegs, darunter auch besonders leistungsfähige Schneeschleudern, die aus Hessen und Baden-Württemberg nach Bayern verlegt wurden. Fachleute prüften, ob die Zahl der Räumfahrzeuge mit Unterstützung aus anderen Regionen noch weiter erhöht werden könne.

Warum läuft es in der Schweiz und in Österreich besser?

Beide Länder haben den Bahn-Experten zufolge eine bessere Winterausrüstung für ihre Züge und bessere Räumfahrzeuge. «Das sind Alpenländer, die darauf eingestellt sind. Sie haben Personal und Räumfahrzeuge», sagt Neuß. Man könne nach solchen Schneefällen nicht erwarten, dass nach einer halben Stunde alles wieder laufe, aber es dürfe nicht tagelang dauern.

«Das Problem bei uns ist, dass die Schneeräumung der DB Netz zugeordnet ist - und die DB Netz hat keine zusätzlichen Ressourcen, auch keine Lokomotiven dafür», ergänzt Hecht. «Die offene Frage ist, wie die Schneeräumung in den Anforderungen der Bayerischen Eisenbahngesellschaft definiert ist, da das auf Regionalverkehrsstrecken Länderangelegenheit ist.»

Lief es früher besser?

Heino Seeger berichtet zumindest für die Bayerische Oberlandbahn und die Bayerische Regiobahn, diese seien damals als Unternehmen aktiv geworden. Etwa habe man die Gleise gerade über Nacht frei gehalten. «Wenn es so geschneit hat wie jetzt, hat uns das nicht geschreckt. Wir haben dann nachts Lokomotiven mit Pflugscharen (eine Art Räumschild) fahren lassen, damit die Strecke nicht zuschneit.» Damit seien die Strecken der Oberlandbahn auch bei viel Schnee befahrbar geblieben - allerdings mit hohem Personalaufwand. «Der Wille muss da sein, fahren zu wollen.»

Wird das Geschehen aufgearbeitet?

Das soll geschehen. Man werde in Ruhe analysieren müssen, weshalb es gerade im Bereich des Zugverkehrs solche erheblichen Schwierigkeiten gegeben habe, sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU). Bernreiter kündigte ein Gespräch mit der Bahn an - «und ich werde es sehr niederbayerisch-deutlich sagen: Die Bahn muss sich für die Zukunft besser aufstellen.» Die Bayerische Eisenbahngesellschaft BEG, die den Regionalverkehr bestellt, teilte mit, alle Beteiligten müssten die Probleme aufbereiten. Bei der DB hieß es, das Krisenmanagement werde ausführlich analysiert, «um die Prozesse und Vorbereitungen für künftige Extremwetterereignisse zu optimieren». BEG und Bahn müssen sich am 23. Januar im Verkehrsausschuss erklären: «Wir erwarten klare Aussagen, wie es zu dem Totalausfall kommen konnte und mit welchen Infrastrukturmaßnahmen und Investitionen hier künftig nachgebessert und die bestehenden Probleme gelöst werden können», sagte der CSU-Ausschussvorsitzende Jürgen Baumgärtner.


Bildnachweis: © Sven Hoppe/dpa
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