26. Juli 2023 / Aus aller Welt

Rhodos kämpft gegen das Feuer - und bangt um Tourismuus

Ganz Rhodos brennt? Bei weitem nicht. Vielerorts genießen Touristen fernab der Brände völlig normal ihren Urlaub. In den Hotels und Pensionen jedoch hagelt es Stornierungen. Wie steht es um die Luftqualität?

Ausgebrannte Autos am Strand von Kiotari. Im Hintergrund ist eine riesige Rauchwolke zu sehen.

Majestätisch ragt die Akropolis von Lindos in den blauen Sommerhimmel, ganz so, wie sie es seit über 2000 Jahren tut. Den besten Blick auf das antike Wahrzeichen der Insel Rhodos haben die Touristen vom direkt daneben gelegenen Lindos Beach aus, wo sie sich auch am Mittwoch in der Hitze auf Strandliegen räkeln. Es herrscht «business as usual», es riecht nach Sonnencreme mit Kokos-Note, die Wellen plätschern an den Strand, Busse fahren die Urlauber auf den Hügel zum berühmten Altertum, die Tavernen sind gut besucht und die Parkplätze voll.

Nur zwei Kilometer weiter südlich haben in der Nacht zuvor Feuerwehrleute gemeinsam mit mehreren Tausend Einheimischen den Badeort Gennadi vorerst vor den Flammen gerettet. Zwischenzeitlich sah es so aus, als würde der Ort abbrennen: Weil der Wind zu stark und die Flammen zu groß waren, mussten die freiwilligen Helfer die Dächer der Häuser verlassen, auf denen sie das Dorf zuvor stundenlang mit Schläuchen und Wassereimern bewaffnet verteidigt hatten. Schließlich ging es nochmal gut, und im Morgengrauen konnten dann die Löschhubschrauber und -flugzeuge wieder die Arbeit aufnehmen.

Stornierungen in der Hauptsaison

«Wir wollten wirklich gerne kommen», steht in der SMS aus Deutschland, die der 59-jährige Tsabíkos in einem Café in Rhodos-Stadt über den Tisch reicht. «Aber hier heißt es, dass die Situation bei euch sehr schlimm ist, und so haben wir uns schweren Herzens entschieden, die Flüge zu stornieren.» Hilflos zuckt Tsabíkos mit den Schultern. Eines der beiden Häuschen, die er und seine Frau vermieten, bleibt nun mitten in der Hauptsaison vorübergehend leer. Es ist längst nicht das einzige: Auf der ganzen Insel, auch hoch im Norden, hagelt es in Hotels und Ferienunterkünften Stornierungen.

Der gebürtige Rhodier Tsabíkos, der lange Jahre in Deutschland gelebt und gearbeitet hat, ist wahnsinnig enttäuscht von den vielen internationalen Berichten, die seine Insel in den vergangenen Tagen so dargestellt haben, als brenne sie von Nord nach Süd lichterloh. «Nimm Lindos als Beispiel, das ja relativ nah an den Brandherden liegt», sagt er. «Die Stadt kann gar nicht brennen, weil rundherum Felsen sind. Überhaupt ist nur der Südosten der Insel betroffen, der Rest ist völlig sicher, man kriegt von den Bränden gar nichts mit.» Es ist, als würde man die Menschen warnen, nicht nach Stuttgart zu fahren, weil es im 50 Kilometer entfernten Heilbronn brennt.

Auch Berichte vom angeblichen Chaos auf Rhodos nimmt Tsabíkos sich sehr zu Herzen. «Ich möchte mal sehen, wie man anderswo binnen drei Stunden 19.000 Menschen evakuiert - wir haben es geschafft, und es gab nicht einmal Nasenbluten bei irgendwem, alle wurden in Sicherheit gebracht», sagt er. Man habe zahllose Busse, selbst die Linienbusse der Inseln für den Transport der Menschen zusammengezogen, Taxi- und Vanfahrer seien zur Hilfe geeilt, gratis, versteht sich. Zu den Auffangpunkten für die nunmehr obdachlosen Touristen hätten Restaurants und Privatleute sofort Essen, Wasser, Matratzen und Decken gebracht - manche nahmen sogar Urlauber bei sich zu Hause auf.

Viele Touristen bestätigen die unglaubliche Hilfsbereitschaft der Rhodier. «Es war so viel Essen da, wir haben uns gefragt, wer das schaffen soll», sagt eine britische Urlauberin lachend. Sie ist noch nicht abgereist, sondern hat sich mit ihrem Mann eine neue Bleibe weiter nördlich gesucht und will noch eine Woche Urlaub machen.

Chaos prangern die Inseleinwohner ihrerseits mit Blick auf die Bekämpfung der Waldbrände an. Sie sind wütend, weil die Flammen vergangene Woche zwischenzeitlich unter Kontrolle waren, aber nicht vollständig ausgemerzt wurden. Rhodos sei von den Behörden in Athen vernachlässigt worden, die für die Einsatzplanung verantwortlich sind - anstatt dass mehr Flieger geschickt worden wären, um die Brände endgültig zu löschen, habe man die Situation «laufen lassen», lautet der Vorwurf. Als dann am Samstag besonders starker Wind wehte und plötzlich die Richtung drehte, sei es zu spät gewesen.

Illegal Schneisen schlagen

Schwere Vorwürfe gibt es außerdem an die Forstbehörden - sie verbieten den Brandbekämpfern, Bäume zu fällen, um Brandschneisen zu schaffen, die das Feuer nicht überwinden kann. «Sie sagen uns, wenn sie uns erwischen, werden wir angezeigt - das ist doch verrückt!», beschwert sich einer der jungen Helfer. Viele rücken nun nachts im Schutz der Dunkelheit mit schwerem Gerät an, um die überlebenswichtigen Schneisen illegal zu schlagen.

Am Mittwoch brannte es im Südosten von Rhodos den neunten Tag in Folge. Aufgeben wollen die Einwohner nicht, im Gegenteil. Weiterhin sind Tausende im Kampf gegen die Flammen im Einsatz. «Wir schaffen das - und dann bauen wir alles wieder auf», versprechen sie sich selbst und den Touristen immer wieder. Immerhin haben die Rhodier das schon mit ihrer Akropolis in Lindos bewiesen: Deren Tempel wurde den Geschichtsbüchern zufolge im Jahr 392 v. Chr. von einem Feuer zerstört. Die Menschen bauten ihn wieder auf, und er steht bis heute.

Copernicus: Rekord-Emissionen

Die bei den Bränden in Griechenland freigesetzten Kohlenstoff-Emissionen sind laut dem EU-Atmosphärendienst Copernicus die mit Abstand höchsten in dem Land für einen Juli seit dem Beginn systematischer Beobachtungen 2003. Seit Anfang Juli bis Dienstag (25.7.) sei schätzungsweise eine Megatonne Kohlenstoff frei geworden, teilte Copernicus am Mittwoch mit. Damit habe sich der bisherige Rekord von Juli 2007 fast verdoppelt.

Die noch immer andauernde Hitzewelle am Mittelmeer habe das Feuerrisiko erhöht und zur hohen Intensität der Brände beigetragen, sagte der Wissenschaftler Mark Parrington. Die Brände könnten auch die Luftqualität beeinträchtigen. Derzeit zögen die Rauchwolken, die auch Feinstaub und andere Schadstoffe enthielten, Richtung Süden über das Mittelmeer.


Bildnachweis: © Christoph Reichwein/dpa
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