3. Dezember 2019 / Kunst & Kultur

Extrawurst – Spiel, Satz und Sieg für WBT

Extrawurst – Spiel, Satz und Sieg für

Extrawurst

Fotos: Klaus Lefebvre


Eigentlich ist es nur eine Formsache: Die Mitgliederversammlung eines Tennisclubs soll über die Anschaffung eines neuen Grills abstimmen. Normalerweise kein Problem – gäbe es nicht den Vorschlag, zusätzlich einen zweiten Grill für das einzige türkische Mitglied des Clubs zu finanzieren. Denn gläubige Muslime dürfen ihre Grillwürste bekanntlich nicht auf einen Rost mit Schweinefleisch legen. Oder kann das türkische Mitglied dann nicht einfach den alten Grill für seine Halal-Wurst benutzen?

Was als Abstimmung über einen neuen Grill fürs Sommerfest im Tennisverein beginnt, läuft sagenhaft schnell aus dem Ruder und zeigt, auf welch dünnem Eis der bürgerlich-gesellschaftliche Zusammenhalt steht. Der Zuschauer erlebt in rasantem Tempo das komplette Spektrum der politischen Toleranzdebatte: Der radikal rechte Populist trifft auf den vermeintlichen Gutmenschen, der sich gleichzeitig als Zyniker entpuppt, Gläubiger auf Atheist, linksliberale Ansichten auf political correctness.

Man spürt in jeder Minute die spitze Feder der "Stromberg"-Autoren Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob, die ihre Dialoge für Extrawurst offensichtlich aus dem prallen Leben aufgeschnappt haben. Dabei decken sie die ganze Bandbreite des Humors ab: Fans des plumpen Schenkelklopfers und Holzhammers kommen ebenso auf ihre Kosten wie Freunde des sehr feinen Floretts.

Dem WBT-Ensemble gelingt quasi auf einer zweiten Ebene, eine geradezu überwältigend echte Darstellung des typischen Provinz-Vereinslebens. Die Zuschauer sind als Vereinsmitglieder direkter Teil des Geschehens, wenn etwa Florian Bender als Matthias Scholz, 2. Vorsitzender, verzweifelt versucht, seine mühsam erstellte Powerpoint-Präsentation mit tanzenden Zahlen und Tortendiagrammen zu präsentieren, dabei aber von Jürgen Lorenzen als Vorsitzendem Dr. Heribert Bräsemann elegant ausgebremst wird.

Markus Hennes als türkischer Anwalt Erol zeigt, dass er am Ende auch nicht viel von politisch korrektem Diskurs hält. Rosana Cleve pocht als seine trinkfeste Doppelpartnerin Melanie auf grundsätzliche Gleichbehandlung aller, während ihr Mann Torsten (Johannes Langer) seine Toleranz zunächst noch wie eine Monstranz vor sich herträgt, bis auch er sich abfällig gegenüber Religionen äußert und an der Eifersucht auf den türkischen Doppel-Partner seiner Frau fast zerbricht.

Das Stück schert sich wenig um politisch korrekten Bühnensound und wird so zu einem guten Indikator für unsere Diskussionskultur. Die Argumente sind schnell ausgetauscht. Dennoch gelingt es dem Ensemble in der starken Inszenierung von Monika Hess-Zanger, die Protagonisten nie als Karikaturen zu zeichnen, man erlebt echte, glaubhafte Figuren. Ein unterhaltsamer Theater-Abend mit einem aktuellen, brisanten und auch riskanten Klang auf der Bühne.

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