17. Oktober 2023 / Kunst & Kultur

Der Schmied von Gent

Eine große Zauberoper in drei Akten von Franz Schreker / Premiere am Samstag, 21.10.23 um 19.30 / Großes Haus

Schmied von Gent

Foto: Martina Pipprich


Die bieder anmutenden Worte, mit denen Franz Schreker 1931 den Plan für seine neue Oper Der Schmied von Gent beschrieb, lassen die Umstände, unter denen das Werk entstand, kaum erahnen. Denn für den Komponisten bedeutete das Projekt einer komischen Volksoper nicht weniger als sich selbst völlig neu zu erfinden – in einer Zeit der allergrößten Bedrängnis und Anspannung.

Franz Schreker war in den Jahren vor und nach dem ersten Weltkrieg zu einem der meistgespielten Komponisten im deutschsprachigen Raum aufgestiegen – Vergleiche mit Richard Wagner wurden laut, es schien ausgemacht, dass Schreker Richard Strauss hinter sich lassen würde. Seine drei erfolgreichsten Opern Der ferne Klang (1912), Die Gezeichneten (1918) und Der Schatzgräber (1920) wurden in den Erfolgsjahren 1917 bis 1921 in über dreißig Inszenierungen in ganz Deutschland gespielt. Als der Musikdramatiker den Schmied von Gent entwarf, war Schrekers Lage eine gänzlich andere. Sein ausladender, vereinfachend häufig als „neoromantisch“ bezeichneter Stil war, wie er selbst in einem Brief schrieb, „derzeit nicht in Mode“, neue Formen wie Songspiel und Neue Sachlichkeit drängten nach. Schreker sah sich aber auch zunehmenden antisemitischen Angriffen ausgesetzt. Gegen all diese Zeitläufte stemmte der Künstler sich mit seiner „großen Zauberoper“, die ihm endlich wieder Erfolg bringen sollte – verkennend, dass dieser nicht von der Qualität des Werks abhängen würde: Die Uraufführung am 29. Oktober 1932 in der Städtischen Oper Berlin endete denn auch in einem von Nazis orchestrierten Pfeifkonzert.

Tatsächlich ist Der Schmied von Gent eine Volksoper, ein komisches Werk geworden – und noch viel mehr. Mit einem zugänglichen Stil schuf Schreker ein stilistisch eklektisches Werk, das seine aktuelle Situation als Komponist ebenso reflektierte wie seine „sündige Vergangenheit“, wie er augenzwinkernd in einem Brief schrieb: Die „große Zauberoper“ wartet mit treibenden, perkussiv geprägten Parlandostellen und eingängigen Liedern auf, enthält aber auch jene irisierend orchestrierten Klangflächen, die Schreker einst so bekannt gemacht hatten. 

Dem Libretto zum Schmied von Gent liegt Charles de Costers flämisches Märchen Smetse Smee (1858) zugrunde. Es erzählt die Geschichte von Smee, dem Schmied, der aus Not einen Pakt mit dem Teufel eingeht: Sieben gute Jahre gegen seine Seele. Der Schmied kann die Teufel überlisten und seine Seele behalten, doch nach seinem Tod findet er weder in der Hölle noch im Himmel Einlass. Erst die Intervention seiner Frau und die genaue Abwägung seiner guten und schlechten Taten bringt die Wende.

Magdalena Fuchsberger, die mit ihrer Inszenierung des Leben des Orest schon in der vergangenen Spielzeit am Theater Münster einen Erfolg feierte und ihre Karriere in der Zwischenzeit u.a. an der Wiener Staatsoper fortsetzte, liest Franz Schrekers letzte Oper eng an ihrer Entstehungszeit – und macht sich dazu das historische Setting zunutze, in dem Smee seine Abenteuer erlebt: Die Geschichte spielt während des 80-jährigen Krieges, der 1648 mit dem Frieden von Münster und damit in unmittelbarer Nachbarschaft zum Westfälischen Frieden endete. Smee wird als Geuse, als Unterstützer des Widerstandes gegen die Spanier eingeführt – doch was ihn auszeichnet, sind nicht politische Umsicht oder Überzeugung, sondern eher Instinkt und Schläue. 

Die Figur dieses naturwüchsigen Kraftmenschen führt die Regisseurin zur Befragung der Mythen von Männlichkeit und Heldentum. Die absurde Komik, die Franz Schreker in seinen revuehaft vorgetragenen Tableaus gelang, wird in Magdalena Fuchsbergers Zugriff zu einer Tour de Force durch Zeiten, Zustände und Dimensionen. Ob Smee und den Seinen am Ende der Himmel offensteht oder die Hölle droht, steht abzuwarten. 

Die Oper bietet Gelegenheit für das gesamte Musiktheaterensemble, seine sängerischen und spielerischen Qualitäten wieder unter Beweis zu stellen. In der Titelpartie debütiert als Gast der Bariton Alik Abdukayumov am Theater Münster. Die musikalische Leitung hat Henning Ehlert.

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